Eine Tasse Tee mit LISA FLUHR

Die letzte Tasse Tee liegt fast eineinhalb Jahre zurück und die Sehnsucht wieder in dieser Art zu schreiben steigt – also folgt hier heute eine brandneue Folge.

Stets befrage ich Menschen, die mich inspirieren und berühren. Ich stelle Fragen und der Rest ist Geschichte. Viel Freude beim Lesen wünsche ich dir. Vielleicht ja sogar mit einer Tasse (Eis)tee?

Wenn ich Lisa mit drei Worten beschreiben dürfte, dann wären es diese: Macherin, fürsorglich, organsiertes Chaos.

Seit September 2023 teilen wir uns eine Wohnung in Freiburg und erschaffen uns zusammen mit einem weiteren Mitbewohner unser heimeliges Zuhause.

Lisa ist dabei, so würde ich sagen, von Anfang an die treibende Kraft gewesen – ganz gleich ob es darum ging auszumisten und aufzuräumen, neu zu organisieren, umzustrukturieren oder Dinge einfach direkt in die Hand zu nehmen. Lisa ist stets zur Stelle.

Mit unbändiger und scheinbar nie endender Energie rauscht sie durch ihre Tage. Dabei haben Momente zum Innehalten, wie beim morgendlichen Qi-Gong, einem Gottesdienst, Zeit mit ihren Freunden oder einem gemeinsamen Schwätzle auf einem unserer Balkone immer Platz in ihrem Tagesablauf.

Eines Tages erzählte sie, dass sie 5 Jahre als Schwester in einem Kloster gelebt hat und ich konnte es kaum glauben 😉

Doch alles weitere beschreibt sie uns am besten gleich selbst.

 

Lisa, schön dass du da bist und dir die Zeit nimmst, ein paar Fragen zu beantworten.

Du hast die letzten Vorlesungen an der Katholischen Hochschule gemeistert und jetzt stehen nur noch Abgaben und die Bachelorarbeit vor Dir. Wie fühlt sich das an?

Der Tag, an dem die letzte Veranstaltung und Gruppenarbeit geschafft war, hat sich wirklich toll angefühlt und ich konnte diesen Meilenstein mit lieben Freunden feiern. Aktuell fühlt es sich aber an, als ob einfach vorlesungsfreie Zeit wäre in der ich – wie immer – meine Abgaben vor mir herschiebe. Aber es wird dann schon komisch sein, wenn ich im Oktober nicht mehr an die Hochschule zurückkehre und meine Kommiliton*innen nicht mehr in den Vorlesungen und Seminaren sehe. Wir waren nun einfach fünf Jahre zusammen unterwegs und durften so viel lernen!

 

Und was folgt danach? Schreibst du noch eine Bachelorarbeit? Zu welchem Thema?

Ganz fertig bin ich, wie gesagt, noch nicht mit meinem Studium. Und genau, ich schreibe tatsächlich eine zweite Bachelorarbeit.

Das ist etwas ungewöhnlich. Aber bei meinem Studium handelt es sich um eine Art Doppelstudium mit einem Abschluss in Angewandter Theologie und einem in Sozialer Arbeit. Da ich die letzten drei Jahre neben dem Studium im Frauenhaus gearbeitet habe und mir diese Arbeit sehr am Herzen liegt, lag es nahe, dass ich meine erste Thesis (Angewandte Theologie) zum Thema Seelsorge nach häuslicher Gewalt geschrieben habe. Und auch meine zweite Thesis soll einen Bezug zur häuslichen Gewalt haben, auch wenn ich noch nicht so ganz weiß in welche Richtung es geht. Jetzt stehen erst noch andere Abgaben und eben meine Arbeit im Frauenhaus an und da heißt es Schritt für Schritt gehen.

 

In der Einleitung hab ichs schon gespoilert – du hast dich für eine gewisse Zeit entschieden als Schwester in einem Kloster zu leben. Wann war das genau und wie kam es dazu?

Ich kann es kaum glauben, aber es ist nun schon fast zehn Jahre her: ich habe im November 2014 meinen Weg in die Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern begonnen. Damals war ich 22 Jahr alt. Die Grundsteine wie es dazu kam wurden aber wohl schon in meiner Kindheit gelegt. Ich wurde katholisch sozialisiert, als Familie waren wir viele Jahre in Familienfreizeiten, die von den Marienschwestern mitgestaltet wurden und ich war in der kirchlichen Jugendarbeit, in der ich eine tolle Gemeinschaft erlebt habe, mich einbringen und für andere sorgen konnte. Und für mich, mit den Eigenschaften, mit denen Du mich in der Einleitung beschrieben hast, waren das ganz wichtige Punkte. Als das erste Mal der Gedanke in mir war, Marienschwester zu werden – damals war ich 18 Jahre alt – war das ein Schock für mich. In meiner Vorstellung heiratete ich jung, wurde bald Mutter und hatte eine große Familie. Aber ich spürte, dass da auch eine große Sehnsucht und das Gefühl der Berufung war. Die nächsten Jahre waren ein Auf und Ab – zweimal war ich in einer Beziehung, zweimal trennte ich mich wieder. Als ich dann wieder ein Wochenende bei den Schwestern verbrachte und alle mein Fragen stellen und den Zweifeln Raum geben konnte, spürte ich, dass die Liebe zwischen Gott und mir größer als sie waren.

Ich war bereit das Wagnis einzugehen.

 

Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen und wie kam es zu der Entscheidung auszutreten?

Die fünf Jahre in der Schwesterngemeinschaft haben mich sehr geprägt. Es war eine Zeit der persönlichen Auseinandersetzung mit mir, meiner Vergangenheit, meiner Familie, eine Zeit der Stille und des Gebets, der Schönheiten und Herausforderungen des Gemeinschaftslebens, der Einfachheit. Mitgenommen habe ich besonders die Liebe zu den Morgenstunden, die ich heute gerne allein mit Qi-Gong und einer Spazierrunde fülle, einen handyfreien Auszeit-Tag im Monat, jährliche Tage der Stille, Ruhemomente im Alltag und – was für mich das Schönste war – eine tiefere Beziehung zu Gott und auch zu mir. Außerdem eine Ahnung davon, wie ich diese Beziehungen pflegen kann, auch wenn die Umsetzung oft hapert.

Es war aber nicht nur eine sonnige Zeit. Mein Körper hat oft gestreikt, weil mir grundsätzlich Umstellungen nicht einfach fallen und ich in diesen fünf Jahren auch am Hadern war. Ich habe oft nicht gesehen, wie und wo mein Weg weitergeht, war überfordert, hatte das Gefühl festzustecken und nicht zur Entfaltung bringen zu können, was in mir steckt, nicht so lieben zu können, wie ich es mir doch wünschte. Ich hatte ein zu perfektes, unmenschliches Bild von mir als Schwester, dem ich einfach nicht gerecht wurde.

So spontan und klar, wie für mich die Entscheidung, in die Gemeinschaft einzutreten, war, so war sie es auch beim Austritt.

Fünf Jahre hatte ich mit Gott und mir gerungen wie mein Weg weitergeht und innerhalb weniger intensiven Stunden, nachdem wieder der Schock überwunden war, wusste ich – mein Weg geht mit Gott weiter, aber nicht bei den Schwestern, sondern ich durfte meiner Sehnsucht nach Partnerschaft Raum geben. Ich habe aus meiner Schwesternzeit also auch mitgenommen, dass ich darauf vertrauen kann, dass ich Schritt für Schritt meinen Weg klar vor mir sehe, auch wenn dazwischen die Herausforderung bleibt mit all meinem inneren und äußeren Chaos liebevoll umzugehen.

 

Wie möchtest du wirken in deinem Dasein – beruflich und/ oder privat?

Wie Du weißt, setze ich mich seit Monaten mit dieser Frage intensiv auseinander. Ich musste all meine Gedanken mal zu Papier bringen und entstanden sind bunte Plakate mit vielen vielen Post it´s, die sich immer wieder vermehren. Darauf stehen Punkte wie: Menschen begleiten, mich für Menschen einsetzten, die kein selbstbestimmtes Leben führen können, Netzwerke aufbauen, um Menschen zu unterstützen, das Leben teilen. Und dann sind da eben auch Punkte, die für mich wichtig sind, dass ich überhaupt wirken kann: Ausgleich im Sport und im Singen suchen, Begegnungen, Stille, Auszeiten in der Natur, …

Ich kann mich noch gut an eine Veranstaltung an der Hochschule in den letzten Wochen erinnern. Es ging um die berufliche Identität und bei allem, was dort besprochen wurde, habe ich gemerkt: das tut mir gerade gar nicht gut. In mir war einfach wieder das Gefühl, dass ich in allen mir aktuell vorstellbaren Jobs nicht wirken kann mit dem, was ich auf meinen Plakaten zusammengesammelt hatte. Ich habe mich dann überwunden, mein Befinden angesprochen und bin gegangen. Als ich später meinen Freund getroffen habe, musste ich direkt losweinen und mich hat es richtig geschüttelt.

Aktuell wühlt mich die Frage nach dem wie und wo nicht mehr so auf, auch wenn ich noch nicht wirklich weiter bin. Aber ich nehme diese Phase des Vertrauens und der Zuversicht dankbar an, um Energie zu haben für alles, was der Alltag so mit sich bringt.

 

Wenn du drei Dinge ändern könntest auf unserer wunderschönen Erde – welche wären es?

Die drei Dinge, dich ich gerne ändern würde, haben mit meinen drei Werten zu tun:

Friede – alle erleben Frieden in sich und in ihrem Miteinander

Gemeinschaft – der Zusammenhalt untereinander trägt und lässt alle wachsen

Würde – alle gehen würdevoll mit sich, anderen und der Natur um

 

Gibt es noch etwas, das du gerne loswerden möchtest?

Danke Dir Alexandra, für Deine Fragen und die inspirierenden Menschen, die Du uns immer vorstellst!

Und sorry, dass Du so lange auf den Text warten musstest – da war die Chaotin in mir mal wieder größer als die Macherin ;)

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Kommentare: 2
  • #1

    Traudel Kraußmüller (Freitag, 23 August 2024 21:50)

    Lisa, das sind ja gute Nachrichten! Ich gratuliere dir. Nun sieht es doch tatsächlich so aus als ob es mit dem Bachelor 1 etwas werden könnte. Ehrlich gesagt, manches Mal hatte ich Zweifel:)
    Ich freue mich, dass dein Vertrauen zu Gott dich in deine Zukunft trägt.

  • #2

    Gundi und Herbert Bucher (Freitag, 23 August 2024 22:35)


    Liebe Lisa…
    Mit großem Interesse verfolgen wir deinen spannenden Lebens- Weg und wünschen dir dabei alles Liebe und Gute.
    Möge dich dein großes Gottvertrauen allzeit begleiten! �✅
    Herzliche Grüße